Liebe
Patientinnen, liebe Patienten,
wir
– die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte
– protestieren an jedem letzten Mittwoch im
Monat erneut gegen die Situation im Gesundheitswesen, weil die sich seit Jahren anbahnen-den Probleme in der flächendeckenden ambulanten Versorgung nun zeigen.
Sie sind es gewohnt, meist
fußläufig zur Hausärztin oder zum Hausarzt zu gehen, die Sie und Ihre Familien lange kennen, sich um kleinere wie größere
Probleme
kümmern oder auch im Notfall helfen. Dieses System hat sich bewährt und ist der Kern hausärztlicher
Versorgung.
Damit dies auch in Zukunft so
bleiben kann, muss sich sehr viel ändern.
Unsere
Arbeit als niedergelassene
Ärztin und Arzt wird immer unattraktiver, so dass der ärztliche Nachwuchs ausbleibt.
Die Probleme
sind
• die bürokratische Überfrachtung sämtlicher Abläufe mit zum Teil
vollkommen unsinnigen Vorgaben: Ärztinnen und Ärzte sitzen nach jeder Sprechstunde mindesten ein bis zwei weitere Stunden über
Papierbergen;
• der schlecht gelaufene Versuch der notwendigen Digitalisierung in den
Praxen;
• die zunehmende Verdichtung der Arbeitsprozesse
mit der Versorgung von immer mehr, immer älteren und komplex kranken Menschen;
• die Probleme, gut qualifizierte medizinische Fachangestellte zu
finden;
• die wirtschaftliche Unsicherheit mit drohenden Regressen: Ärztinnen und
Ärzte müssen Strafe zahlen, wenn sie zu viel Krankengymnastik oder zu viel teure Medikamente verordnen;
• und natürlich die allgemein unsicheren Zeiten mit
Energie-
und Klimakrise,
Krieg und
Inflation –
wobei uns dies natürlich alle
betrifft.
Dies alles führt dazu, dass
junge Ärztinnen und Ärzte den Sprung in die Selbständigkeit zunehmend scheuen und Praxen keine Nachfolger mehr finden, wodurch der Arbeitsdruck auf die verbleibenden Praxen wächst.
Dazu kommt die relative
Überalterung der hessischen Hausärztinnen und Hausärzte:
In den
kommenden zehn Jahren wird die Hälfte von uns in den
Ruhestand
gehen!
Dann kann es passieren, dass
Sie erheblich weitere Wege zur nächsten hausärztlichen Versorgung zurücklegen müssen – bis zu 50 km gelten noch als zumutbar! Wer alt oder gehbehindert ist und wer kein Auto hat, ist
aufgeschmissen.
Vielleicht
gibt es
auch nur noch einen Gesundheitskiosk (ohne ärztliches Personal) oder ein „Medizinisches Versorgungszentrum“ (MVZ). Hier haben Sie es, wenn Sie Pech haben, jedes Mal mit einem anderen (angestellten) Arzt zu
tun.
Dann ist
das Arzt-Patient-Verhältnis, das ja vertrauensvoll sein soll, zur bloßen Dienstleistung verkommen, die jeder mit entsprechender Ausbildung erbringen kann. In den MVZ,
die
oft
von privaten
Investoren getragen werden, spielen finanzielle Aspekte außerdem eine viel größere Rolle: Hier muss Rendite erwirtschaftet werden! Die arme, kranke, AOK-versicherte Rentnerin, die dem System hohe Kosten verursacht
anstatt Zusatzleistungen
einzukaufen, gehört ganz bestimmt nicht zur Zielgruppe dieser Konzerne.
Bereits jetzt behandeln
wir Niedergelassenen im europäischen Vergleich seit Jahren doppelt so viele Patientinnen und Patienten in der gleichen Zeit wie
in anderen Ländern. Und: diese Zahlen steigen. Wenn das so weiter geht, werden wir in zehn Jahren nicht
einmal mehr die Zeit haben,
„Guten Tag“ zu sagen.
Es gibt Tage, an
denen wir total erschöpft nach Hause gehen und trotzdem das Gefühl haben, vielem nicht so gerecht geworden zu sein, wie
wir es uns
selbst
oder Sie,
unsere Patientinnen und Patienten, es sich gewünscht hätten. Wenn die Überlastung anfängt, an die eigene Gesundheit zu gehen, denkt manch eine(r) über eine vorgezogene
Rente nach.
Damit würden dem System weitere
Kapazitäten entzogen.
Den Kollegen und Kolleginnen in
den Kliniken geht es auch nicht besser: laut einer aktuellen Umfrage des Marburger Bunds denkt ein Viertel der dort tätigen Ärztinnen und Ärzte über die Beendigung ihrer Tätigkeit im Krankenhaus
nach.
Ärztliche Versorgung bedarf einer
Aufwertung von Grund auf. Aufgrund des langen Ausbildungsweges muss dies umgehend geschehen, damit die Versorgung der Bevölkerung nicht nur gehalten, sondern verbessert
werden
kann. Es geht nicht um das
Gejammer einiger Privilegierter
auf hohem Niveau, sondern um die gesundheitliche Daseinsvorsorge aller in diesem Land lebenden Menschen!
Deshalb bitten wir
Sie: Wenden
Sie sich an Ihre Krankenkasse und Ihre(n) Bundestagsabgeordnete(n), unterschreiben Sie den Appell an Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach, der in den Praxen
ausliegt
oder online verfügbar ist:
petition.gemeinschaft-ambulante-medizin.de .
Wir danken Ihnen für Ihr
Verständnis und Ihre Unterstützung!
Ihr Praxisteam